Ärzte- und Krankenhausvertreter warnen vor „Vermeidungseffekt“
Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Angesichts wieder steigender Corona-Infektionen warnen führende Ärzte- und Krankenhausvertreter vor einem neuen „Vermeidungseffekt“, bei dem Erkrankte Praxen und Kliniken scheuen. „Wer krank ist sollte auch und gerade in Corona-Zeiten einen Arzt konsultieren“, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Und weiter: „Gerade in den ersten Monaten der Corona-Pandemie haben viele Menschen aus Angst vor einer Infektion ärztliche Hilfe zu spät oder gar nicht gesucht“, sagte er.
Anzeige
Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), ergänzte: „Wenn das Vermeidungsverhalten anhält, könnte die Zahl komplizierter OPs weiter ansteigen. Auch zu spät diagnostizierte Krankheiten könnten mittelfristig zu Problemen führen.“ Der „Vermeidungseffekt“ in der ersten Corona-Welle zeigte sich laut Ärztepräsident Reinhardt etwa bei Früherkennungsuntersuchungen, der Krebsdiagnostik und der Behandlung chronischer Erkrankungen. „Die Notaufnahmen verzeichneten einen Rückgang von Patienten mit Herzproblemen um rund 30 Prozent, während die Komplikationen nach einem Herzinfarkt deutlich zugenommen haben“, sagte er. „Es ist davon auszugehen, dass solche Kollateralschäden der Corona-Pandemie ein relevantes Problem für die Gesundheit der Menschen darstellen.“ DKG-Hauptgeschäftsführer Baum nannte es einen „Anlass zur Sorge, dass Patienten auch bei akut behandlungsbedürftigen Beschwerden die Krankenhäuser aus Angst vor Ansteckung gemieden haben“. Auch habe es einen merklichen Rückgang bei nicht dringlichen Krebsbehandlungen wie der Nachsorge gegeben. Weiterer Effekt: Es seien 28 Prozent weniger Blinddarmoperationen ohne akute Entzündung durchgeführt worden, während „die Zahl der OPs mit akuter Entzündung um acht Prozent gestiegen ist“. Reinhardt und Baum warnten mit Blick auf die Infektionskurven davor, jetzt verfrüht Klinikkapazitäten für Corona-Patienten zu reservieren. Zwar stiegen die Zahlen. „Ein erneutes Umschalten in den Krisenmodus wäre aber erst notwendig, wenn wir uns wieder einem Infektionsgeschehen nähern, wie wir es im März oder April hatten“, sagte der BÄK-Präsident. Laut DKG-Geschäftsführer steht fest, dass „die Versorgung hilfsbedürftiger Patienten in den Kliniken zu keinem Zeitpunkt gefährdet war oder ist“. Aufgrund der Erfahrungen aus Italien oder Spanien hätten die Krankenhäuser die Zahl ihrer Intensivbetten von ursprünglich rund 28.000 auf 40.000 steigern können, so Baum. Daher seien sie in kurzer Zeit in der Lage, bei Bedarf erforderliche Behandlungskapazitäten frei zu machen.
Foto: Ärztekammer, über dts Nachrichtenagentur
Keine Kommentare bisher