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Die Reichsflagge – nur ein Stück unschuldige Tradition?

Foto: mazzafabio

Anzeige Die alte Flagge Deutschlands. Für manche ein Stück Tradition, für andere symbolisch etwas zu lädiert, um heute noch hochgehalten zu werden. Die schwarz-weiß-rote Reichsflagge hat in der Tat eine recht vorbelastete Geschichte. Im „Deutschen Krieg“ von 1866 wurde der Deutsche Bund (Österreich, Bayern und Sachsen) von preußischen Alliierten besiegt. Ministerpräsident von Bismarck brach diese Allianz und gründete den Norddeutschen Bund. Als einheitliche Flagge für Handelsschiffe wurden ab 1866 die Farben Schwarz-Weiß-Rot eingeführt und ein Jahr später auf Kriegsschiffe ausgedehnt. Das war symbolisch durchaus so gewollt, denn es handelte sich um eine Kombination aus den traditionellen norddeutschen und preußischen Farben.

Historischer Ursprung

1871 traten auch die südlichen Staaten dem dadurch nicht mehr ganz so „Norddeutschen“ Bund bei und das Deutsche Reich war geboren. 1892 (unter Wilhelm II) wurde die Flagge schließlich zur Reichsflagge. Dieses (historisch betrachtet) kurzlebige Kaiserreich endete mit der Novemberrevolution von 1918. In der Nationalversammlung kämpfte eine breite politische Koalition für das schwarz-rot-goldene Banner, das von den Konservativen als Symbol für „Großdeutschland“ anerkannt wurde. Eingefleischte Nationalisten wollten hingegen an der Reichsflagge festhalten. Um sie zu besänftigen, wurde die Reichsflagge als Handels- und Kriegsflagge etabliert, war aber nach wie vor politisch hoch umstritten. Bereits 1921 forderte Gustav Stresemann (DVP) eine neue Flagge, blieb aber erfolglos. Während der Weimarer Republik war die Flagge ein gemeinsames Emblem von Rechtsextremisten und Antidemokraten, wie zum Beispiel dem Putsch der Freikorps von Kapp im Jahr 1920. Diese Farben spielten auch beim kläglich gescheiterten Putschversuch Hitlers 1923 eine prominente Rolle. Parolen wie „Schwarz-Weiß-Rot bis in den Tod!“ waren in den entsprechenden Kreisen an der Tagesordnung.

Vereinnahmung durch die Nazis und ihre geistigen Nachfolger

Bereits am 7. März 1933, zwei Tage nach den Reichstagswahlen, die Hitler unverhofft die Macht verliehen, ließ Reichspräsident Hindenburg (ironischerweise am Volkstrauertag) die Reichsflagge hissen. Jedoch nicht mit so viel Zustimmung, wie man meinen mag. Gerade in konservativen Kreisen wurde eine Vereinnahmung der Reichsflagge durch die Nationalsozialisten befürchtet, denen weiterhin Misstrauen entgegengebracht wurde. Hindenburg starb 1934 und Hitler erklärte sich zum Präsidenten des Deutschen Reichs. Das Hakenkreuz wurde als Nationalflagge bestimmt, allerdings nicht von ungefähr in Schwarz-Weiß-Rot, den Farben der Reichsflagge. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlief die Begeisterung für die alten Farben im Sand. Lediglich rechtsradikale Kreise griffen die Flagge immer wieder auf und beanspruchten sie symbolisch für sich. In den 1960er Jahren kokettierte beispielsweise die NPD immer wieder mit den Farben des alten Imperialismus. Heute wird die alte Reichsflagge vor allem von selbst ernannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern hochgehalten, deren Überschneidungen mit rechtsradikalem Gedankengut und Geschichtsrevisionismus unübersehbar sind.

Ist die Reichsflagge legal?

Eine Einordnung ist also nicht einfach. Das Führen der Reichsflagge ist per se nicht strafbar. Die polizeiliche Beschlagnahmung wurde von den Gerichten aufgehoben. Die Tatsache, dass die selben Farben mitunter in der arabischen Welt (Ägypten, Syrien, Irak, Jemen) gängig sind, erschwert eine juristische Wertung zusätzlich. Bis heute gilt die Reichsflagge jedoch ganz klar als Zeichen des Bekenntnisses für Rechtsextremisten. Nicht, weil das ihrem historischen Ursprung entspräche. Sondern weil sie historisch immer wieder, von den Wirren der Weimarer Republik bis heute, entsprechend vereinnahmt wurde. Daher ist die Symbolzuordnung relativ eindeutig. Wer die Fahne öffentlich zeigt, sollte sich nicht empören, wenn er für einen Rechtsextremisten gehalten wird – auch wegen der jüngsten Vorfälle durch selbsternannte Reichsbürger, die sich bewaffneten und einen Putsch planten. Geschichte wiederholt sich. Und die Reichsflagge spielt darin, auch knapp 100 Jahre nach Hitlers Putschversuch, keine schmeichelhafte Rolle.

Ein (zu) vorbelastetes Symbol

Die Bedeutung der Farben im Nationalsozialismus sowie im rechtsradikalen Gedankengut darüber hinaus (bis heute) sind nicht zu ignorieren. Sich aus geschichtlicher Perspektive für die Reichsflagge zu interessieren, ist sicher weder verwerflich noch falsch. Doch sie als Symbol hochzuhalten, selbst wenn man es nicht als „rechts“ verstanden wissen will, wäre eingedenk ihrer historisch akkumulierten Außenwirkung vollkommen unsensibel. Letztlich wäre dies nichts weiter als die Glorifizierung eines politische Relikts, das heute einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Umso weniger, wenn man schaut, welchen Menschenfeinden und Seelenfängern die Sehnsucht danach stets dienlich war – und bis heute ist. Dann doch lieber eine zeitgemäße Deutschlandflagge kaufen.

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