Geschichte

„Hotel zur Hunte“ schließt nach 155 Jahren

Gerd Koop, Yvonne Robel und Thomas Gerdes stellten das Buch in der ehemaligen JVA an der Gerichtsstraße (Hotel zur Hunte) vor.

Gerd Koop, Yvonne Robel und Thomas Gerdes (von links) stellten das Buch in der ehemaligen JVA an der Gerichtsstraße vor.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) Mit der Schließung der Justizvollzugsanstalt (JVA) an der Gerichtsstraße im März 2013 ist ein über 150-jähriges Kapitel der Strafvollzugsgeschichte in Oldenburg zu Ende gegangen. Was die Oldenburger dazu brachte, mitten in der Stadt ein Gefängnis zu bauen, wie es dort zuging und wer dort inhaftiert war, darüber berichtet das Buch „Gefangen am Schlossgarten. Zur Geschichte des Oldenburger Strafvollzugs in der Gerichtsstraße“.

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Die Historikerin Dr. Yvonne Robel und Gerd Koop, Leiter der JVA-Oldenburg, haben das Buch herausgebracht. Neun Studierende des Faches Geschichte der Universität Oldenburg und vier weitere Autoren haben gemeinsam mit Yvonne Robel wochenlang Akten im Oldenburger Staatsarchiv studiert und interessante Erkenntnisse über das denkmalgeschützte Gebäude und sein Innenleben zu Tage befördert. So war das Gefängnis bei seiner Eröffnung 1858 ein Vorzeigebau, ebenso wie das Nachfolgemodell an der Cloppenburger Straße, das 2001 eröffnet wurde. Wer sich heute in dem alten Gebäude umschaut, kann sich das vermutlich kaum vorstellen.

Tatsächlich gibt es bislang keine Veröffentlichungen über das ehemalige Gefängnis an der Gerichtsstraße, das zurzeit leer steht. Die zahlreichen Akten aus dem Gefängnis, die erstmals bearbeitet wurden, geben hingegen über viele Aspekte Auskunft. „Wir haben sehr viel über die Bauplanung und weitere Anbauten in späteren Jahren erfahren“, berichtet Robel. Für die Gefangenen gab es ein Waschhaus, in dem sie maximal einmal pro Woche baden durften. Das Wasser kam aus der Hunte und wurde in Kübeln gebracht.

Bei den Inhaftierten handelte es sich eher um Kleinkriminelle, die dort kurze Gefängnisstrafen absitzen mussten. Hinzu kamen Untersuchungshäftlinge – darunter befanden sich auch Mörder. Während der beiden Weltkriege war das Haus stets überbelegt. „Das hängt mit der Gesellschafts- und Weltgeschichte zusammen“, erläutert Robel. „Jemand, der schwarz schlachtete und erwischt wurde, landete im Gefängnis. Es gab auch viele Fälle von Hehlerei.“

Natürlich saßen auch viele politische Häftlinge ein. Sie alle mussten während der Nazizeit Zwangsarbeit leisten. So entstanden zum Beispiel der Fliegerhorst, manch ein Hochbunker oder wichtige Straßen in der Stadt. Den Akten ist auch zu entnehmen, dass Häftlinge im Peter Friedrich-Ludwig-Hospital gegen ihren Willen sterilisiert wurden. „Hier sind Seiten aus den Akten herausgeschnitten worden“, berichtet Robel.

Die 14 Autoren gehen unter anderem den Fragen nach, ob es Luxus im Knast gab, sich die Haftbedingungen während der Weimarer Republik veränderten, wie die Disziplinierung der Inhaftierten in den 1930er/40er Jahren funktionierte und wie das Leben des Anstaltsleiters ablief, der auf dem Gelände seine Dienstwohnung hatte. Schließlich wird das „Hotel zur Hunte“ – so wurde der Knast in den letzten Jahrzehnten gern genannt – in der Zeit zwischen 2001 bis 2013 von Thomas Gerdes, dem damaligen Dienstleiter, beleuchtet, und Gerd Koop berichtet über zehn Jahre JVA an der Cloppenburger Straße.

„Wir sind nicht in der Lage, eine lückenlose Geschichte vorzulegen“, sagt Yvonne Robel. „Das können wir in einem Seminar nicht leisten. Aber wir informieren über die Lebensumstände der Gefangenen und Bediensteten. Die Historikerin spricht von einem großen Schatz, der allerdings nur punktuell gesichtet werden konnte. „Vielleicht“, so hofft sie, „können wir einen zweiten Band schreiben, der sich mit der Zeit ab 1950 befasst.“

Das 144 Seiten umfassende Buch mit zahlreichen Fotos, das von der Oldenburgischen Landschaft, dem Kriminalpädagogischen Verein Oldenburg und der JVA finanziert wurde, ist im Kriminalpädagogischen Verlag Lingen erschienen (ISBN 978-3-927341-20-3) und kostet 17 Euro.

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