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UN-Chefankläger kritisiert „Geschichtsklitterung“ auf dem Balkan

Fahne vor den Vereinten Nationen (UN), über dts Nachrichtenagentur

Den Haag (dts Nachrichtenagentur) – Kurz vor einem bedeutenden Urteil am Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien hat der Chefankläger der Vereinten Nationen, Serge Brammertz, heftige Kritik an den Regierungen auf dem Balkan geübt. „Absolut inakzeptabel“ nannte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagsausgabe) Äußerungen des aktuellen Staatsoberhaupts von Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik, wonach der Völkermord an etwa 8.000 muslimischen Jungen und Männern im bosnischen Dorf Srebrenica im Juli 1995 nie stattgefunden habe.

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Das sei „offene Geschichtsklitterung“, so der UN-Jurist Brammertz, und müsse international Konsequenzen nach sich ziehen. Am Dienstag soll vor dem Kriegsverbrechertribunal im niederländischen Den Haag das letztinstanzliche Urteil gegen den einstigen Chef der serbischen Streitkräfte fallen, Ratko Mladic. Dieser befehligte unter anderem das Massaker von Srebrenica. Der Jurist Brammertz, der seit 2008 im Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen im ehemaligen Jugoslawien ermittelt, sagte: „Der Geschichtsrevisionismus klingt nicht mit den Jahren ab, wie man meinen könnte.“

Im Gegenteil: „Er wird schamloser.“ Brammertz wies darauf hin, dass Bosnien-Herzegowina heute Beitrittskandidat der Europäischen Union sei. Die EU müsse sich gut überlegen, wie sie mit der „Leugnung eines Völkermords mitten in Europa in den 1990er-Jahren“ umgehen wolle. Im serbisch-autonomen Teil Bosniens, der Republika Srpska, habe die Regierung jüngst eine „sogenannte Expertenkommission“ einberufen, die nun mithilfe „verfälschter wissenschaftlicher Erkenntnisse“ versuche, „die Geschichte aktiv umzuschreiben“.

Auch mit Blick auf die Regierungen Serbiens und Kroatiens kritisierte der UN-Chefankläger die Politik. Dort würden Tausende mutmaßliche Kriegsverbrecher bis heute vor der Justiz beschützt. „Ich denke, das sollte die EU bei ihren Beitrittsverhandlungen mit diesen Staaten berücksichtigen“, sagte Brammertz.

Foto: Fahne vor den Vereinten Nationen (UN), über dts Nachrichtenagentur

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