Berliner CDU gegen generisches Maskulinum
Die Berliner CDU hat sich mit einer Rede vor dem Berliner Abgeordnetenhaus ungewöhnlich deutlich gegen das sogenannte generische Maskulinum in der Sprache positioniert.
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Ein Antrag mit dem Titel „Auf den Lehrer kommt es an – Lehrerberuf in Berlin wieder attraktiv machen“ sei schon deswegen abzulehnen, weil es auch auf die Lehrerin ankommen müsse, sagte Sandra Khalatbari, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, bei der Debatte am Donnerstag. Der Anteil weiblicher Lehrkräfte in Berlin sei „bekanntermaßen hoch“. Gestellt hatte den Antrag die AfD-Fraktion, die den ungewöhnlichen Rüffel mit lautem Raunen quittierte.
Die CDU stellt sich eigentlich gegen die sogenannte „Gendersprache“, auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich schon kurz nach Amtsantritt entsprechend positioniert. Die „Beidnennung“ gehört aber offenbar nach Ansicht der Berliner CDU nicht zur „Gendersprache“, entgegen einer weit verbreiteten Ansicht in der Sprachwissenschaft. Wegner selbst spricht in Interviews konsequent beispielsweise von „Bürgerinnen und Bürgern“.
dts Nachrichtenagentur
Foto: Sandra Khalatbari am 12.09.2024, via dts Nachrichtenagentur
2 Kommentare
Gendern ist mit * und abzulehnen. Natürlich gibt es Lehrer und Lehrerin , war schon immer so .
Die Argumentation der Berliner CDU ist völlig unwissenschaftlich. Die Paarnennung („Bürgerinnen und Bürgern“) IST Gendern. Wer glaubt, Gendern sei nur die Verwendung von Sonderzeichen, hat nichts begriffen. Beim Gendern geht es um das generische Maskulinum und nur darum. Entweder man akzeptiert, dass es für beide Geschlechter steht, oder eben nicht.
Formal werden die Regeln der deutschen Rechtschreibung durch die Paarnennung nicht verletzt, was viele glauben lässt, die Paarnennung sei eine gute Alternative zum Gendern. Aber genau das ist der Holzweg, auf den sie damit abbiegen. Warum verwendet man dann die Paarnennung zulasten des alle einschließenden generischen Maskulinums („Wähler“)? Man hat sich über Jahrzehnte von der „Genderlinguistik“ einreden lassen, die maskuline Personenbezeichnung („der Mieter“) stehe nur für Männer, die Frauen seien bestenfalls „mitgemeint“, Studien würden das belegen. Wenn das z. B. ein Astrophysiker wie Harald Lesch im ZDF behauptet, ja dann muss es ja stimmen. Die meisten, die sich auf diese Studien berufen, dürften nicht eine davon gelesen haben. Schaut man sich diese Studien genauer an, erkennt man schnell ihren zweifelhaften Wert.
Das aber ist der Kern der Genderei: Es ist die bewusste Vermeidung des generischen Maskulinums. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob es dabei um die Verwendung der offiziell nicht mehr akzeptierten Sonderzeichen innerhalb von Wörtern, den grammatisch falschen Gebrauch von Partizipialformen oder eben die Paarnennung geht. Die Unterschiede sind nur graduell.
Um sich die Unsinnigkeit der Paarnennung zu verdeutlichen, stelle man sich bitte statt der movierten Form („-in(nen)“) die Alternative mit dem generischen Maskulinum vor: Statt „Beitragszahlerinnen und Beitragszahler“ „weibliche und männliche Beitragszahler“, statt „Außenministerinnen und Außenminister“ „weibliche und männliche Außenminister“ etc. Oder: Die Polizei sucht weibliche oder männliche Zeugen“, „Weibliche und männliche Fahrradfahrer absteigen“. Kommt Ihnen das nicht nur unnötig textaufblähend, sondern auch hochgradig albern vor?
Zur Albernheit gesellt sich noch die Inkonsequenz. Die Paarnennung ist in der Praxis ja genau dadurch charakterisiert, dass sie NICHT konsequent gebraucht wird. Wenn oft im ersten Satz von „Bürgerinnen und Bürgern“ gesprochen wird, im zweiten Satz aber für denselben Personenkreis „Bürger“ verwendet wird, lässt sich das doch nur damit erklären, dass der im zweiten Satz genannte „Bürger“ (generisches Maskulinum) auch für Frauen und Männer steht. Dann IST diese maskuline Form generisch, sonst dürfte man sie so nicht verwenden. Punkt. Und wenn sie generisch ist, also für beide Geschlechter steht, warum gebraucht man sie nicht durchgängig? Das ergibt doch alles keinen Sinn.
Wichtig ist bei der Paarnennung aber etwas anderes. Es ist der Bedeutungswandel der maskulinen Form, der damit einher geht. Seine Konsequenzen sind keine Marginalien. Wenn „Fußgänger“, „Radfahrer“, „Einwohner“ oder „Mieter“ nur noch Männer sind, dann, und nur dann, besteht die Notwendigkeit, auch die Frauen zu benennen („Fußgängerin(nen)“, „Radfahrerin(nen)“, „Einwohnerin(nen)“, „Mieterin(nen)“). Aber dann fehlt uns plötzlich ein Ausdruck oder Oberbegriff für beide Geschlechter. Wie unpraktisch ist das denn?
Das wirklich Tückische aber ist, dass sich der Bedeutungswandel im Sinn einer positiven Rückkopplung selbst verstärkt. Die Paarnennung verursacht den Bedeutungswandel, und dieser erfordert die Paarnennung, anderenfalls entstehen Missverständnisse. Will man z.B. in Rechtstexten Missdeutungen vermeiden, MUSS die Paarnennung angewendet werden. Im Strafrecht gilt zwar noch das generische Maskulinum („Mörder ist, …“, StGB §211(2)), sonst dürften mordende Frauen nicht belangt werden. Wird irgendwann auch hier das generische Maskulinum ersetzt werden müssen? Wenn wir nicht aufpassen, werden wir vielleicht die Paarnennung nicht mehr los.
Gendersprachenbefürworter frohlocken insgeheim. Sie müssen nur abwarten, bis der Bedeutungswandel tief ins Bewusstsein der Sprachgemeinschaft eingesickert ist. Sie wissen, dass die meisten die Paarnennung nicht als Gendern empfinden, und das spielt ihnen in die Hände. Irgendwann wird man unter „Mieter“ nur noch Männer verstehen, die Schulen („Schülerinnen und Schüler“), die Medien („Expertinnen und Experten“), der Duden (z. B. „der Arzt“) und Politiker, wie Herr Wegner („Wählerinnen und Wähler“), tragen fleißig dazu bei.
Ein wichtiger Aspekt ist bisher noch nicht genannt worden: die Sprachökonomie. Sie versucht, den Aufwand für den Sprecher einer Botschaft möglichst gering zu halten, ohne dass der Informationsgehalt der Botschaft bei dem Empfänger darunter leidet. Das generische Maskulinum ist eine höchst effektive Form dieser Sprachökonomie. Sie aufzugeben, ist einfach nur dumm.
Es könnte also sein, dass das Prinzip der Sprachökonomie dem Paarnennungsgebrauch Grenzen setzt und dem generischen Maskulinum wieder die Anerkennung verschafft, die ihm gebührt. Das wäre die gute Nachricht.
Es könnte aber auch sein, dass die Sprachökonomie aus den „Bürgerinnen und Bürgern“ wieder „Bürger*:_innen“ o. Ä. macht. Dann wäre die Paarnennung das Trojanische Pferd der Gendersprache, und das wäre eine sehr schlechte Nachricht.
Ich kann nur jedem, dem die deutsche Sprache nicht gleichgültig ist, davon abraten, die Paarnennung unkritisch zu benutzen. Sie ist ein Irrweg, der immer tiefer in den undurchsichtigen Genderwald führt. Das Dumme ist, dass man meist erst zu spät merkt, dass man sich verlaufen hat.