Soziologe sieht Polarisierung vor allem als politische Strategie
Der Soziologe Nils C. Kumkar sieht keine Anzeichen für eine Spaltung der Gesellschaft in Deutschland. Tiefe ideologische Gräben, wie oft angenommen, gebe es hierzulande nicht.
Vielmehr werde Polarisierung von Politikern aller Parteien als Vehikel genutzt, um Menschen zu mobilisieren und in den politischen Prozess zu integrieren. „Vermutlich würde kein Politiker offen sagen: Ich fahre eine Polarisierungsstrategie. Dafür ist der Begriff zu negativ besetzt“, sagte Kumkar dem „Spiegel“. „Aber alle machen sich diesen Mechanismus zunutze.“
Kumkar verwies auf die Entscheidung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), zum Christopher Street Day keine Regenbogenflagge am Bundestag zu hissen. „Damit positioniert sie sich zwischen zwei Lagern, die sich selbst so gar nicht zu Wort gemeldet haben“, sagte er. „Man könnte meinen, es gäbe da draußen ein konsolidiertes links-grünes Woke-Lager, das dafür kämpft, überall Regenbogenflaggen zu hissen – und auf der anderen Seite eine große Gruppe konservativer Christen, die traditionelle Lebensmodelle verteidigt und sich von ebendieser Regenbogenflagge angegriffen fühlt. Die gibt es aber so gar nicht.“ So erwecke Klöckner erst den Eindruck einer klaren Front.
Kumkar sagte weiter, dass der Konflikt zwischen Extremmeinungen oft nur unterstellt werde. So auch in der Debatte über die ehemalige Kandidatin der SPD für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf: „Erst durch die Erzählung, es gebe eine linksradikale Szene, die das Verfassungsgericht kapern wolle, wurde daraus ein politisches Problem.“ Er selbst sorge sich nicht um die Polarisierung der Gesellschaft. „Politik und Gesellschaft sollten keine Scheu haben, Gegensätze offenzulegen und Konflikte zu suchen – auch wenn sie polarisieren“, so Kumkar. Die Frage sei, über welche Themen man streite – und wie.
Der Soziologe forscht an der Universität Bremen unter anderem zu politischem Konflikt, Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien.
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dts Nachrichtenagentur
Foto: via dts Nachrichtenagentur
1 Kommentar
Ich glaube ja angesichts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seriös gemeinten Aussagen vor allem „konservativer“ Politiker, daß eine große Zahl von ihnen schlicht entweder dämlich sind oder die Bürger für hoffnungslos dämlich halten. Viele extrem kurzschlüssige Sprüche kann anders kaum deuten. Ein Beispiel gefällig? Daß eine zunehmende Menge von Elektrogerâten zu einem Mehrverbrauch von Elektrizität führt, wer wollte es bestreiten? Entscheidend aber die Frage, woher der Strom kommen soll, und das unter Berücksichtigung der Umwelt- / Klimaprobleme. Das aber wird dann völlig hilflos und ohne jedwede Ideen oder gar offener Diskussion behandelt – nach Beamtenmentalität. („Das haben wir schon immer so gemacht, das haben wir noch nie so gemacht, das gibts gar nicht.)
In all zu großen Teilen wird dies Land, so fürchte ich, von Hirntoten und Grôßenwahnsinnigen regiert – eben Leuten mit Dunning-Kruger Syndrom.