Website-Icon Oldenburger Onlinezeitung

Kommentar: Alles eine Frage des Standpunkts?

Mit seinem Messröhrchen hat Klaus Stamereilers an der Ecke Hauptstraße / Hundsmühler Straße Proben gesammelt.

1000 Norddeutsche haben bei der NDR-Luftmessaktion „#WasAtmestDu?“ mitgemacht. Darunter auch Klaus Stamereilers aus Eversten. Mit seinem Messröhrchen hat er an der Ecke Hauptstraße / Hundsmühler Straße Proben gesammelt. Im Frühling werden die Ergebnisse der Aktion erwartet.
Foto: Anja Michaeli

Oldenburg (am) Immer noch herrscht dicke Luft in Oldenburg. Ein drohendes Fahrverbot wegen zu hoher Stickoxid-Werte am Heiligengeistwall sorgt weiterhin für Diskussionen. Dabei geht es ständig um den Standort der Umweltmessstation. Und wie schön wäre es denn auch: Die Messstation umsetzen, einfach die Grenzwerte heraufsetzen oder Fahrverbote bei geringfügigen Überschreitungen als unverhältnismäßig einstufen – schon wären wir das Problem mit der schlechten Luft in Oldenburg los. Aber so einfach ist es natürlich nicht.

Anzeige

Seitdem Umweltminister Olaf Lies eine Kontrolle der Messstation-Standorte angekündigt hat, warten alle gespannt auf die Ergebnisse. Zwischenzeitlich werden – statt abzuwarten – die Fehlermöglichkeiten weiter ausgelotet. Beispielsweise soll sich der Ansaugschlauch auf einer Höhe von unter 1,50 Meter befinden (erlaubt sind 1,50 bis zu 4 Meter). Dabei kommt es doch immer auf den Standpunkt an. Messe ich ab Fahrbahnhöhe oder vom Fußweg aus? Messe ich bis zur Unterkante des Rohres, zur Oberkante oder gar zur Mitte? Die Details sind entscheidend. Die Stadt Oldenburg muss sich – bis das Gegenteil bewiesen ist – darauf verlassen, dass das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt im Auftrage des Landes Niedersachsen die Mess-Station und ihre technischen Einrichtungen so platziert und ausrichtet, dass die EU-Vorgaben eingehalten werden. Genau das wird jetzt noch einmal überprüft. In Nordrhein-Westfalen ist das bereits passiert. Das Land hat die sieben Messpunkte mit den höchsten Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen kontrollieren lassen: Sie liefern alle korrekte Ergebnisse. Trotzdem bleibt es in Oldenburg spannend.

Wer die Zeit nicht abwarten kann, dem sei ein Blick auf die Ergebnisse der Passivsammler empfohlen, die von November 2017 und bis Dezember 2018 die Stickstoffdioxidkonzentrationen messen. Sie werden in einem etwa vierwöchigen Rhythmus gewechselt und die gesammelten Werte werden analysiert. Zweck dieser Messkampagne ist es, die vorhandene Hintergrundbelastung zu ermitteln.

Die Hintergrundbelastung ist nicht besorgniserregend.
Grafik: Stadt Oldenburg

Es wurden zehn Messstellen eingerichtet. Neun befinden sich an eher verkehrsarmen Stellen im Stadtgebiet am Langenweg, Butenweg, Bornhorster Straße, Hugo-Eckener-Straße, Wilhelm-Ahlhorn-Weg, Chaukenstraße, Wehdestraße, Georgstraße und Gerhard Stalling Straße. Wie zu erwarten war, wurde keine Überschreitung des Jahresgrenzwertes (40 µg/m³) abseits der Hauptverkehrsstraßen ermittelt. Der Durchschnitt aller Messwerte beträgt 16,0 µg/m³. Im Vergleich dazu die Umlandwerte: Emsland (14,5 µg/m³), Jadebusen (11,6 µg/m³), Osnabrück (17,9 µg/m³), Ostfriesland (14,2 µg/m³) und Südoldenburg (14,5 µg/m³). Geplant ist, die Passivsammler in einer neuen Messkampagne verkehrsnah einzurichten, so dass die NO2-Gesamtbelastung am jeweiligen Straßenabschnitt bestimmt werden kann.

Um einen Referenzwert zu erhalten, wurde aber auch ein Probeentnahmepunkt an einem Verkehrsschild unmittelbar neben der Umweltmessstation am Heiligengeistwall eingerichtet. Höhe: 2 Meter. An dieser Stelle wird die Gesamtkonzentration, das heißt die Summe aus regionalem und urbanem Hintergrund sowie der Zusatzbelastung der Straße ermittelt. Und obwohl er höher hängt als die erforderlichen 1,50 Meter wurde hier von November 2017 bis einschließlich September 2018 ein Mittelwerk von 43,6 µg/m³ festgestellt. Darüber hinaus misst ein weiterer Passivsammler in Höhe des Messrohres. Auch hier kommt es zu ähnlichen Ergebnisse wie das Gewerbeaufsichtsamt bei den Werten der Umweltmessstation.

Die Diskussionen in Oldenburg sind mittlerweile in Berlin angekommen. In einer Bundestagsdebatte am 30. November wurde wieder einmal behauptet, dass an dem Marathon-Sonntag in Oldenburg hohe Werte gemessen worden seien, obwohl kein Auto gefahren sei. Die OOZ-Redaktion hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass das so nicht richtig ist. Hier noch einmal die Zahlen: Am Marathon-Sonntag befuhren 2750 Kraftfahrzeuge den Heiligengeistwall in Richtung Julius-Mosen-Platz. An „normalen“ Sonntagen sind es durchschnittlich 2981 Fahrzeuge. Die Gegenrichtung konnte an diesem Lauftag nicht erfasst werden, da das Zählgerät defekt war. Durchschnittlich fahren 4487 Kraftfahrzeuge sonntags Richtung Lappan.

Die angekündigte Überprüfung der Messstation wird zeigen, ob die immer wieder bezweifelte Positionierung den Verordnungen entspricht. Angenommen das Ergebnis beweist: Hier wurde falsch gemessen. Der Wert liegt unter 40 µgr/m³. Was wäre damit gewonnen? Vielleicht ist dann das Fahrverbot vom Tisch und könnte auch nicht über die Gerichte erreicht werden. Aber leben die Oldenburger damit gesünder? Wird die Luft dadurch besser? Nein, die Gesundheitsbelastung bleibt bestehen. Die geplanten Maßnahmen der Stadt Oldenburg werden weiter notwendig sein. Dazu gehört die Modernisierung der Busflotte, die bis 2020 abgeschlossen sein soll. Diese Umrüstung wird nach Berechnungen des Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim die verkehrsbedingten Emissionen an Stickstoffdioxid (NO2) beziehungsweise Stickoxid (NOX) an der Messstelle Heiligengeistwall um 8,4 Prozent beziehungsweise 35,1 Prozent verringern. Auch der kommunale Fuhrpark soll technisch umgestellt werden. Beides hätte natürlich Auswirkungen auf das ganze Stadtgebiet. Diese Maßnahmen müssen aber finanziert werden. Zumindest ein Teil des Geldes käme aus dem Sofortprogramm „Saubere Luft“ der Bundesregierung, das für Kommunen mit besonderer Luftbelastung bereitgestellt wird. Fällt Oldenburg unter den Grenzwert wird die Zahlung von Zuschüssen ungewiss.

Was zurzeit fehlt, ist die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Oldenburg. Der erste Entwurf, der im Sommer veröffentlicht worden war, wurde unter anderem wegen der aktuellen juristischen und politischen Entwicklung zurückgezogen. Zurzeit wird an einer aktualisierten Neufassung und neuen Öffentlichkeitsbeteiligung gearbeitet. Im ersten Fortschreibungsentwurf war eine Umweltzone vorgesehen und waren Empfehlungen aus dem Green-City-Plan enthalten. Im Laufe des Prozesses hätten sich die Planungsgrundzüge so verändert, dass ein neues Fortschreibungsverfahren notwendig wurde, teilt die Stadt mit.

Mehr Informationen: „Wie ungesund sind Stickoxide?“

Grundsätzliches: Dieselfahrverbot – Fragen, Fakten, Hintergründeh

Die mobile Version verlassen