
Oldenburgs amtierende Kohlkönigin Andrea Nahles wurde bei ihrem Besuch von rund 25 Jecken aus ihrer rheinländischen Heimat begleitet.
Foto: Ann-Christin Pietsch
Oldenburg (Michael Exner) Oldenburg feiert mit seiner Kohlkönigin Karneval – obwohl weder das titelgebende Gemüse noch die Feierart der Jahreszeit entspricht. Das liegt an der Herkunft der Würdenträgerin: Andrea Nahles stammt aus dem Rheinland und kommt auch zur Entwicklungshilfe in die Diaspora.
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Wenn die 47 Jahre alte SPD-Bundesarbeitsministerin am nächsten Mittwoch zum obligaten Antrittsbesuch bei ihrem Kohlvolk erscheint, dann rückt sie mit großem Gefolge an. Abordnungen der Karnevalsvereine Närrische Buben Sinzig, Rot Weiß Westum und Rievkooche Bad Bodendorf aus ihrem Wahlkreis Ahrweiler begleiten sie. Die Idee stammt von Nahles selbst, die diesen Einsatz anlässlich ihrer Krönung in Berlin im März vorgeschlagen hatte – möglicherweise vor dem Hintergrund von Gerüchten, wonach der Karneval in Oldenburg zu den eher unterbelichteten Vergnügungen zählt. Wenn (wie angekündigt) tatsächlich 40 bis 50 Narren die Königin begleiten sollten, wären das deutlich mehr, als durchschnittlich am Oldenburger Rosenmontagszug teilnehmen.
In der Stadt absolviert Andrea Nahles ein Mammutprogramm: Besichtigung einer von mehreren Firmen getragenen Kindestagesstätte in einem Gewerbegebiet, Besuch beim Unternehmen CEWE, das auf dem Gebiet der Digitalisierung Meilensteine gesetzt hat, Abstecher zum Verein „pro:connect Integration durch Bildung und Arbeit“, im Rathaus Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Bei den Kindern und im Rathaus soll die Narrentruppe mitspielen, und am Ende bleibt auch noch Zeit für eine Wahlkundgebung mit dem örtlichen SPD-Bundestagskandidaten Dennis Rohde in der Innenstadt. „Andrea Nahles nimmt sich viel Zeit, um Oldenburg kennenzulernen“, freut sich Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD).
Die amtierende Königin weiß vermutlich, was von ihr erwartet wird: Rückenwind im Wahlkampf. Beim dritten Krönungsentscheid seiner Amtszeit (der erste war Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der zweite Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka) hat Krogmann nach einer nie offen formulierten, aber gleichwohl in der politischen Praxis bewährten Maxime gehandelt: dass man in Wahljahren lieber jemanden der eigenen Farbe krönt. Und dass die neue Königin Wahlkampf kann, hat die ehemalige Juso-Chefin, Generalsekretärin und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende hinlänglich bewiesen.
Vielleicht werden Oldenburg-Auftritt und Kohl-Regentschaft auch zum Startschuss für einen weiteren Karrieresprung der Frau, die schon im Abituraufsatz als Berufswunsch „Hausfrau oder Bundeskanzlerin“ angegeben hat und der seit Jahren Interesse an der SPD-Kanzlerkandidatur für 2021 nachgesagt wird. Schließlich galt lange Zeit als gesicherte Erkenntnis, dass man erst Oldenburger Grünkohlkönig werden müsse, um danach richtig Karriere zu machen: etwa Gerhard Schröder (König 1992 / Kanzler 1998), Joschka Fischer (1996 / Außenminister 1998) Angela Merkel (2001 / Kanzlerin 2005), Christian Wulff (2005 / Bundespräsident 2010) und aktuell Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Kohlkönig 2008).
Von Karneval war dabei allerdings bis dato nicht die Rede.