Oldenburg (zb) – Obwohl die Stadt drei Seitenlader und 42.000 Altpapiertonnen bestellt hat, ist die Rechtslage vollkommen unklar. Die Frage, wer künftig das Altpapier einsammelt, die ARGE Duales System Oldenburg oder die Stadt, ist nicht entschieden. Es könnte gut sein, dass beide parallel sammeln mit dem Ergebnis, dass die Rechnung der Stadtverwaltung nicht aufgeht.
Im November bekommt jeder Haushalt von der Stadt ungefragt eine weitere Altpapiertonne vor seine Tür gestellt. Die Verwaltung verweist auf das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz, wonach die Abfallsammlung in den Kommunen eine hoheitliche Aufgabe ist. Auf die Frage, warum die Bürger aus Sicht der Stadt die Altpapiertonne der Stadt akzeptieren müssen, erklärte Stadtsprecher Dr. Andreas van Hooven: „Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz sagt unzweitdeutig: Die Stadt ist hoheitlicher Träger der Entsorgung, und zwar auch für das Altpapier. Das Recht auf Sammlung kann ihr durch eine gewerbliche Sammlung nicht bestritten werden. Zu diesem Recht gehört ein Zugang zu einem Sammlungssystem samt Tonnen. Und das Sammlungssystem mit städtischen Tonnen hat der Rat der Stadt für ganz Oldenburg beschlossen.“
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Korrekt, aber damit ist die Frage nicht beantwortet. Carsten Heine von der ARGE sagt dazu, „dass nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz nur überlassungspflichtige Abfälle zwingend der Kommune zu überlassen sind. Allerdings handelt es sich beim Altpapier nicht um überlassungspflichtigen Abfall.“
„Deshalb ist kein Bürger gezwungen, die städtische Tonne anzunehmen“, stellt Carsten Heine klar. „Nach unserer Einschätzung liegt die Entscheidung über die Tonne allein beim Bürger. Er kann sich für die Tonne der ARGE oder die Tonne der Stadt entscheiden und wenn er mag auch für beide.“ Das trifft vor allem auch deshalb zu, weil die geänderte Abfallsatzung erst am 1. Januar in Kraft tritt. Bis dahin ändert sich an der Situation bezüglich der Altpapiersammlung ohnehin nichts.
Jetzt waren Vertreter der ARGE zu Gast im Niedersächsischen Umweltministerium in Hannover, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. „Wir hatten ein sehr gutes Gespräch“, berichtet Heine, der auf vollkommen unvoreingenommene Mitarbeiter getroffen ist, „die die Angelegenheit sehr ernst nehmen.“ Auch sie haben längst die Brisanz des Falls erkannt. Denn egal wie das Ministerium entscheidet, ob für die Stadt oder die ARGE, vermutlich wird der Unterlegene in jedem Fall gegen die Entscheidung klagen.
Das würde bedeuten, der jetzige Zustand gilt weiter bis zu einer gerichtlichen Entscheidung. Stadt und ARGE würden parallel sammeln und das kann durchaus zwei bis drei Jahre dauern. Die städtischen Investitionen sind jedoch getätigt und müssen abgezahlt werden. Von einer Gewinnsituation könnte vorerst keine Rede sein. Und wie die Geschichte ausgeht, weiß auch niemand. Dass die ARGE das Feld ganz räumen muss, ist angesichts der bereits bundesweit gefällten Urteile eher unwahrscheinlich.
Da fragt man sich, wieso die Stadtverwaltung nicht vorab die Rechtslage geklärt hat bevor sie Seitenlader und Tonnen bestellt. Auch die Frage, weshalb die Politik die Brisanz nicht erkannt hat, steht im Raum. Hans-Richard Schwartz, FDP-Ratsfraktionsvorsitzender, hat eine Erklärung. „Wir haben vor gut einem Jahr die Brisanz überhaupt nicht erkannt. Für mich lautete die Botschaft der Verwaltung, dass die Stadt mit der Altpapiersammlung Geld verdienen kann. Das hat mir eingeleuchtet. Die rechtlichen Konsequenzen waren mir und offenbar auch vielen anderen Ratskollegen in dem Ausmaß nicht klar. Die diskutieren wir erst seit ein paar Wochen“, bedauert er und spricht von einem „Abenteuer, auf das sich die Stadt eingelassen hat.“
Eigentlich sollte der Schachzug der Verwaltung richtig Geld in die Stadtkasse spülen und die Müllgebühren stabil halten. Das könnte nun alles ganz anders kommen. Sollten die Bürger sich für die bisherige blaue Tonne der ARGE entscheiden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie kostenlos Altpapier mitnimmt, das neben der Tonne steht, was beim Seitenlader mit Schwierigkeiten verbunden ist, ginge die Rechnung nicht auf. Die Investitionen sind jedoch getätigt.
Auf die Frage, was mit dem Altpapier geschieht, das gegenwärtig noch neben der Papiertonnen abgestellt werden kann, in den Straßen, wo der Seitenlader zum Einsatz kommt, erklärt der Stadtsprecher: „Das wird selbstverständlich genauso mitgenommen, wie es die ARGE bislang macht. Dazu gibt es extra einen Zusatzeinwurf am Seitenlader in Personenhöhe: Der Fahrer steigt ab und wirft es von Hand ein, wie es die ARGE-Mitarbeiter jetzt auch machen.“
Stimmt, allerdings benutzt die ARGE bewusst keinen Seitenlader. Der rechnet sich nur, wenn ein Mann am Steuer sitzt und den Seitenlader vom Führerhaus aus bedient. Wenn der alle 50 Meter aussteigen muss, ist die viel beschworene Effizienz dahin. So wird der Tonnenstreit munter fortgesetzt. Weder die Stadt noch die ARGE entscheiden ihn, sondern allein die Bürgerinnen und Bürger. Ihnen obliegt es, die Argumente abzuwägen und zu entscheiden, welche Tonne künftig vor ihrer steht.