Xavier Naidoo soll beim Eurovision Song Contest für Deutschland antreten.
Foto: ESC / YouTube Screenshot
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Oldenburg (am/pm) – Mit Unverständnis, Häme und Empörung reagierten gestern Twitterer und Facebook-Nutzer auf eine Pressemitteilung des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Xavier Naidoo solle beim Eurovision Song Contest (ESC) für Deutschland antreten. Dabei ging es nicht nur um die Person des Musikers, der als „Aluhutträger“ und „Rechtsbürger“ verhöhnt wurde, sondern auch um die ARD-Entscheidung im Alleingang. Die Zeitungen kommentierten: „Deutsches Reich – twelve points“ titelt „Die Zeit“, nicht „Mit einem ‚ordentlichen Rechtsverteidiger‘ zum ESC“ will die „Welt“ und die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb: „Was die ARD da selbstherrlich im Hinterzimmer entschieden hat, ist der blanke Hohn.“ Selbst in den ARD-Tagesthemen wurde das Thema kritisch behandelt und „Panorama“ hält die ESC-Entscheidung für „Das falsche Signal“. Auch die Mitglieder der SPD Eversten meldeten sich empört zu Wort.
„Xavier Naidoo ist ein Ausnahmekünstler, der seit knapp 20 Jahren seinen Platz im deutschen Musikleben hat. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, ihn direkt zu nominieren“, erklärt der ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber in einer Presseerklärung, die ein Loblied auf den umstrittenen Künstler anstimmt. Xavier Naidoo verspricht, so schön und so gut zu singen wie noch nie in seinem Leben: „Ich will in den drei Minuten auf der Bühne zeigen, dass wir auch in Deutschland Musik mit Leidenschaft machen. Und zeigen, wofür ich stehe – für Liebe, Freiheit, Toleranz und Miteinander.“
Xavier Naidoo sei kein würdiger Repräsentant Deutschlands beim ESC 2016, schreibt dazu die SPD Eversten. Diese Entscheidung der ARD und des federführenden Senders NDR sei verheerend. „In seinen Liedern, die teilweise eine drastische Wortwahl aufweisen, fragt er ‚Wo sind unsere Helfer, unsere starken Männer, wo sind unsere Führer, wo sind sie jetzt?‘ und ‚Warum liebst du keine Möse, wo jeder Mensch aus einer ist?‘. Gerade letzteres ist eine kaum verhohlene Diskriminierung Schwuler – und daher ist Xavier Naidoo, der erstens die Existenz des Staates, für den er antritt, in Abrede stellt und zweitens Schwule (und damit eine offene und bunte Gesellschaft), die gerade beim Eurovision Song Contest ‚ihre‘ Lebensart feiert, denkbar ungeeignet.“ Man erwarte eine Korrektur dieses Entscheids, der offenbar ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit und ohne Kenntnis der Verstrickung des Sängers in Verschwörungstheorien und die rechtsgerichtete „Reichsbürgerbewegung“, die Deutschland nach wie vor für besetzt und nicht souverän hält, erfolgt sei.
Mittlerweile reagierte Thomas Schreiber auf die Kritik in einem dpa-Interview. Man habe gewusst, dass Xavier Naidoo polarisieren würde. „Die Frage ist, ob alle Hassäußerungen, die es in den sozialen Netzwerken gibt, eine sachliche Grundlage haben“, so Schreiber in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). An der Entscheidung wolle er festhalten. Und auch von Xavier Naidoo gibt es ein Statement.
Mit welchem Song Xavier Naidoo am 14. Mai 2016 in Stockholm auf der Bühne steht, sollen die Zuschauer in der Show „Unser Song für Xavier“ am Donnerstag, 18. Februar, live im Ersten entscheiden. Rund 23.000 Menschen haben die beiden Onlinepetationen unter www.openpetition.de und www.change.org zum jetzigen Zeitpunkt unterschrieben:
Update, 21. November, 14.21 Uhr
Xavier Naidoo wird im kommenden Jahr nicht beim Eurovision Song Contest (ESC) in Stockholm für Deutschland singen. Das meldete heute der NDR. Thomas Schreiber, ARD-Unterhaltungskoordinator und Leiter des Programmbereichs Fiktion und Unterhaltung im NDR: „Xavier Naidoo ist ein herausragender Sänger, der nach meiner Überzeugung weder Rassist noch homophob ist. Es war klar, dass er polarisiert, aber die Wucht der Reaktionen hat uns überrascht. Wir haben das falsch eingeschätzt. Der Eurovision Song Contest ist ein fröhliches Event, bei dem die Musik und die Völkerverständigung im Mittelpunkt stehen sollen. Dieser Charakter muss unbedingt erhalten bleiben. Die laufenden Diskussionen könnten dem ESC ernsthaft schaden. Aus diesem Grund wird Xavier Naidoo nicht für Deutschland starten. So schnell wie möglich werden wir entscheiden, wie der deutsche Beitrag für den ESC in Stockholm gefunden wird.“