Kuriose Anfragen: „Naturentfremdung schreitet fort“
Hannover (pm) Über immer mehr kuriose, scheinbar abstruse und auch traurige Anfragen berichtet der NABU Niedersachsen. Dieser Trend, den der NABU bereits seit einigen Jahren in allen seinen Außenstellen feststellen kann, habe sich „enorm verstärkt“, wie Rüdiger Wohlers vom NABU berichtet. „Die Naturentfremdung vieler Menschen schreitet leider fort. Das ist eine gesellschaftliche Zeitbombe, denn nur was man kennt, kann man auch schützen. Umweltbildung ist daher essentiell.“ Und gerade auch diese werde in der aktuellen Corona-Krise schwer zurückgeworfen, da alle Führungen, Exkursionen und anderen Veranstaltungen der NABU-Umweltbildungszentren abgesagt werden mussten und die Ausstellungen bis auf weiteres geschlossen sind. „Eine enorme Hypothek, weil auch alle Einnahmen, etwa aus Spenden, wegfallen und die Zentren nun in großer Not sind“, zeigt sich Wohlers bekümmert.
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Trotzdem sei man sich sicher, „dass der Hunger nach Naturerlebnis und Naturerkennung nach der Krise größer denn je sein wird. Und dies ist auch dringend notwendig, wenn wir sehen, wie groß die Entfremdung, die oft in Vermenschlichung von Tieren abgleitet, bereits ist“, so Rüdiger Wohlers. Der Naturschützer, der fast 26 Jahre die Regionalgeschäftsstelle des NABU im Oldenburger Land leitete und seit einem Jahr die Verbandsentwicklung des Landesverbandes übernommen hat, berichtet über „beispielhafte Anfragen und Fälle, die als Spitze des Eisbergs gesehen werden müssen.“
Dazu gehörte ein Anruf eines Herrn aus der Nähe von Oldenburg, der beim NABU in einem November anfragte, wo er Fliegen bekommen könne. Da er seine Frage beharrlich wiederholte, hakte der NABU-Geschäftsführer nach und traute seinen Ohren nicht: Der Mann hatte eigenmächtig mit einem großen Kescher Schwalben eingefangen und in seine Scheune gesperrt. Begründung: „Ich will nicht, dass die im Süden gefressen werden!“. Der NABU erreichte, dass die Tiere sofort freigelassen wurden.
In einem anderen Fall stellte sich heraus, dass jemand Frösche im vergangenen Herbst aus seinem Gartenteich gefischt und in seinem Eisfach deponiert hatte, „um sie dort zu überwintern.“ Ein tödlicher Versuch. Und ebenso erstaunlich war der Anruf einer Dame, die den NABU darum bat, an einem Dezembertag eine große Anzahl Marienkäfer abzuholen: „Die stinken in diesem Jahr zu sehr.“ Was war passiert? Wie offenbar – laut ihrer Erzählung – seit mehreren Jahren, hatte die Frau im Herbst Marienkäfer, die sich unter Laub verborgen hatten, eingesammelt und in einen eigens umgenähten Kissenbezug gefüllt – um sie dann „mit ans Fußende ins Bett zu nehmen, da ist es schön warm“. Aber – in diesem Jahr rochen sie ihr zu stark…
Mindestens genauso haarsträubend war der Anruf einer Großmutter, die vor dem anstehenden Weihnachtsfest für ihr Enkelkind, das Harry-Potter-Fan sei, eine lebende Eule beim NABU kaufen wollte, als Geschenk. Oder die Mitteilung, auf einem Foto sei eindeutig zu erkennen, dass Libellen Ohren hätten, und zwar ganz große. Tatsächlich zeigte das Foto eine Libelle, die sich aus ihrer Larvenhülle befreite – „da kann man die Anfrage noch nachvollziehen“. Wenn jedoch, so Wohlers, von einem Anrufer mit großem Nachdruck unter entgegen aller fachlichen Beratung behauptet werde, dass „ein Schwarm von fünfzig Rohrdommeln in meinem Garten gelandet ist und jetzt im Rosenbeet sitzt“, dann sei das doch etwas bedenklich. In einem anderen Fall war ein – angeblich sollte dies dem Tier helfen – Eichhörnchen eingefangen und in eine Werkstatt eingesperrt worden, wo es verständlicherweise „randalierte“. Aber „zum Glück konnten wir erreichen, dass auch dieses Tier sofort frei gelassen wurde“, berichtet der NABU-Mitarbeiter.
„Der Umweltbildung kommt eine sehr hohe Bedeutung, eine Schlüsselstellung auch für unser eigenes Überleben der Gattung Mensch zu“, betont Rüdiger Wohlers, „denn die Erlangung von Naturwissen und auch der emotionale Zugang dazu versetzt uns in die Lage, Naturschutznotwendigkeiten zu erkennen und umzusetzen.“
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