Politik

Creative Mass: Kreativstadt statt Provinznest

Rund 300 Kulturschaffende und Unterstützer haben heute in Oldenburg unter dem Motto Creative Mass für ihre Forderungen nach mehr freiRaum demonstriert.

Rund 300 Kulturschaffende und Unterstützer haben heute in Oldenburg für ihre Forderungen nach mehr „freiRaum“ demonstriert.
Fotos: Anja Michaeli

Oldenburg (am) Rund 300 Kulturschaffende und Unterstützer haben heute in Oldenburg für ihre Forderungen nach mehr „freiRaum“ demonstriert. Eingeladen hatte das offenes Bündnis „[Creative Mass] freiRAUM für Kultur und Kreativität“ (die OOZ berichtete). In friedlicher Stimmung – aber mit ernsten Anliegen – trafen sich die Teilnehmer auf dem Bahnhofsvorplatz. Am Friedensplatz und vor der bau_werk Halle am Pferdemarkt fanden Kundgebungen statt. Die Redner fanden deutliche Worte für die Situation.

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Der letzten Tropfen, den das ohnehin schon volle Fass der Ärgernisse zum Überlaufen gebracht hatte, waren die Pläne der Stadt Oldenburg, die bau_werk Halle zu verkaufen. Dort soll nach Willen der Verwaltung ein italienisches Restaurant als Inklusionsprojekt der Gemeinnützigen Werkstätten Oldenburg entstehen. „Letzte Woche ist dann allen der Kragen geplatzt“, so Katharina Semling vom Orga-Team. Und weiter: „Wenn weitere Räume für Kreativität genommen werden, wandert der kreative Nachwuchs ab und Oldenburg wird zu einem Provinzbeamtennest“. In kürzester Zeit hatten sich knapp 1500 Befürworter der Proteste und der Forderungen in einer entsprechenden Facebook-Gruppe zusammengefunden und die Demonstration geplant.

Die Oldenburger Kreativen fordern die Erhaltung und Schaffung von kulturellen Freiräumen, eine Kulturpolitik, die sich an ihren Bedürfnissen orientiert, langfristige Nutzungs- und Planungssicherheit für Kulturschaffende und Nachwuchsförderung. Das unterstützten heute unter anderem Vertreter der freien Szene, der Kulturetage, des Theaters Laboratorium die Jungen Architekten Oldenburg (Reihe 7), das Oldenburger Computer Museum, Mitarbeiter des Oldenburgischen Staatstheaters, der Hackspace „Mainframe“, die Polygenos-Genossenschaft sowie Bürgerinnen und Bürger.

Creative Mass Demonstration in Oldenburg.

Nach dem Gang durch die Innenstadt sprach Pavel Möller-Lück vom Theater Laboratorium. Er appellierte an die Verwaltung und die Politik, Räume für Kultur zu erschaffen und nicht zu schließen. Möller-Lück erinnerte an die Pläne, aus dem Ringlokschuppen ein Konzerthaus zu machen und die Versuche, das Globe-Kino zu erhalten. Die Diskussionen über die bau_werk Halle müssten im Kulturausschuss und mit den Betroffenen geführt werden. Die Halle sei ein wertvolles Forum für die Kulturschaffenden. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann warf er vor, keine kulturelle DNA zu haben – und das als Kulturdezernent. Krogmann habe gesagt, dass er keine Verwendung und auch keine Vision für die bau_werk Halle hätte, so Möller-Lück in seiner Rede: „Das Verantwortungsbewusstsein für die Kultur ist dem Oberbürgermeister vollkommen abhanden gekommen.“ Trotzdem plädierte er dafür, weiter den Dialog und Verbündete zu suchen. „Ich freue mich, hier in so viele tolle Gesichter schauen zu können. Diese ganzen Menschen müssen in Oldenburg bleiben und eine Chance kriegen“, sagte Möller-Lück abschließend.

Während der Schlusskundgebung vor der bau_werk Halle am Pferdemarkt mahnte der Filmemacher Amon Thein, dass bereits viele junge Kulturschaffende gegangen seien – nach Bremen, Hamburg, Berlin. Und nach dem Aus für das Kulturfestival „Freifeld“ würden wahrscheinlich noch mehr folgen. „Es macht keinen Sinn mit dem Oldenburger Klein-Klein der Kulturpolitik weiterzumachen“, so Thein. Er fordert, dass die Bedürfnisse der Kulturschaffenden in den Mittelpunkt gestellt werden sollten und sie selber danach gefragt würden. „Kultur kann nicht verwaltet werden und braucht eine wohlwollende Begleitung auf Augenhöhe“, sagte Thein.

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5 Kommentare

  1. David K.
    13. Mai 2017 um 20.55 — Antworten

    Ich kann bei sowas nur noch lachen. =)

  2. W. Lorenzen-Pranger
    14. Mai 2017 um 2.01 — Antworten

    „Es bildet ein Talent sich in der Stille,
    sich ein Charakter in dem Strom der Welt“
    Goethe

    Ich war bei dieser Demonstration dabei – und ich schwöre, ich komme ganz sicher nicht wieder. Junge Leute, die – bestenfalls – am Anfang einer künstlerischen Betätigung stehen, aber bereits ganz genau wissen, daß es um, insgesamt, enorme Gesamtsummen der Kuturförderung gehen soll…
    Was für eine Anmaßung!
    Kunst und Kultur (im engeren Sinne) wächst mit der Betätigung, mit dem ernsthaften Lernprozess – nicht mit der Förderung einer Freizeitaktivität zum Wohlfühlen und der Option, wenns denn gefällt, auch billigst dabei bleiben zu können. Erst die Kohle, dann die Kunst? Auf einer Internetseite sollen rund eintausendfünfhudert „Künstler“ und Sympathiesanten ihre Unterstützung bzw. Ansprüche bekundet haben. Zu meiner Zeit suchte man sich dann eine Ausbildung in diesem Bereich – an Schauspielschulen, Hochschulen für bildende Künste, Musikhochschulen (usw.) oder in anerkannten Förderkreisen für junge Künstler. Förderungen (und einen Markt) bekam man dann, wenn man nachvollziehbare kontinuierliche inhaltliche Leistungen erbrachte, nicht fürs Dilletanten-Frühstück mit Trallala-Begleitung auf der grünen Wiese. Nichts gegen ein Wohlfühl-Picnic, aber das zahlt bitte selbst.
    „Kreativ“ erscheint hier jedenfalls nur das Verlangen nach öffentlichem Geld. Schade um meine vertane Zeit.

    • Arne O
      15. Mai 2017 um 11.21 — Antworten

      „Jeder Mensch ist ein Künstler“
      J.Beuys

      Heureka! Am 14.05.2017 wurden objektive Kriterien um Kunst von Trallala zu unterscheiden entdeckt!
      Gratulation, der Nobelpreis ist sicher, die mehrere Jahrtausende dauernde Frage nach dem Wesen der Kunst endgültig und abschließend beantwortet.

      Entschuldigung, aber das konnte ich mir gerade schwer verkneifen, habe kurz geglaubt der Beitrag sei satirisch gemeint.
      Was ich hier nicht ganz mitbekommen habe: Wer hat wann riesige Summen für irgendwas gefordert? Ich war auch am Samstag anwesend aber das ist mir entgangen. Also zumindest ging es offiziell darum, dass bereits vorhandene Orte geschlossen/verkauft werden/wurden. An diesen Orten (z.B. bau_werk Halle, Freigang, Freifeld) wurde, zum großen Teil von ehrenamtlich aktiven KünstlerInnen und VeranstalterInnen, Kunst bzw. Trallala veranstaltet (der Unterschied ist mir persönlich noch nicht so klar geworden). Ob man/frau das Programm nun toll findet oder nicht bzw. künstlerische Qualität unterstellt ist da wohl eher Geschmackssache?

      • W. Lorenzen-Pranger
        15. Mai 2017 um 21.27 — Antworten

        „Heureka! Am 14.05.2017 wurden objektive Kriterien um Kunst von Trallala zu unterscheiden entdeckt!“
        Nö, ist uralt. Schade, wieder am Nobelpreis vorbei. (Wenn das so weitergeht, schaff ich das nie…)

        „Wer hat wann riesige Summen für irgendwas gefordert? Ich war auch am Samstag anwesend aber das ist mir entgangen.“
        Die Redner. Da haben sie wohl gerade nicht hingehört. Es ging um öffentliche Zuschüsse (bzw. letztlich gemeint waren auch Kredite bzw das teure Aufschieben von Verkäufen. Leerstand kostet auch Geld). Da waren sie wohl gerade mit Küßchen für Freunde beschäftigt – nur ne Vermutung…

        „Also zumindest ging es offiziell darum, dass bereits vorhandene Orte geschlossen/verkauft werden/wurden. “
        Tja, der EIgentümer entscheidet. Ist deutsches Recht. Freifeld, wird ja von ihnen genannt, hatte gar z.B. keinen festen Ort. Hätte man natürlich mieten können, wie das P-Town Festival z.B. auch…

        „Kunst bzw. Trallala veranstaltet (der Unterschied ist mir persönlich noch nicht so klar geworden). Ob man/frau das Programm nun toll findet oder nicht bzw. künstlerische Qualität unterstellt ist da wohl eher Geschmackssache?“
        Nee, für Kunst gibts, sogar trotz aller Diskussionen, recht eindeutige Grund-Kriterien. So beginnt mit Giotto z.B. die moderne Kunst der Malerei – und diese Bildsprache und Kompositionskriterien setzen sich bis heute fort. Im Theater ist es ähnlich – oder warum funktionieren die griechischen Klassiker heute noch so gut wie Shakespeare oder Brecht?
        http://www.ritagrosse-ruyken.com/images/imageruyken/presse/Kunst_0815.pdf
        Das ist aber nur EIN Einblick. Es gibt VIEL mehr. Vielleicht doch mal ein Studium an einer guten Hochschule probieren?

        „„Jeder Mensch ist ein Künstler“
        J.Beuys“
        Kaum ein Zitat wird von der Dilletanten Szene so gern so falsch verstanden wie dies.
        https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Plastik
        Zu diesem Zitat muß aber eben auch ganz viel von Beuys lesen – auch Texte, die NICHT im Internet stehen. Ich saß übrigens in seiner 100-Tage Diskussionen auf der Dokumenta, weiß also aus eigener Anschauung, wie differenziert der dachte und argumentierte. (Studiert habe ich bei anderen in Kassel, die waren aber auch gut. Einer davon Prof. Harry Kramer, war sogar fast hellsichtig, als er bereits in den frühen 70-ern die Verbindung von „großer“ Kunst zu Unterhaltung erkannte. Eine bis heute sehr moderne Einsicht.)

        Wie war doch das ZItat von Peter Struck (SPD)? Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die….“. Hat übrigens ein ziemlich drittkassiger Comedien names Nuhr später für sich zu verbuchen versucht. Da hatte wohl sein Google versagt. Die ARD hält den übrigens immer noch peinlicherweise für einen Kabarettisten…

        Und nochn Zitat, wenn auch nur aus dem Gedächtnis, also nur ungefähr. Sagt Jeff Goldblum in seiner Rolle im Jurassic Park Eins nicht sinngemäß, daß er es unerträglich findet immer recht zu behalten? So gehts mir auch oft – ich hasse es.

        So – ehe das jetzt hier zu einem Endlos- Text wird, mir fällt nämlich immer noch was ein, solls erst mal gut sein.

        • W. Lorenzen-Pranger
          21. Mai 2017 um 0.19 — Antworten

          Nachtrag:
          Derzeit läuft in Oldenburg im Casablanca-Kino eine Doku über Beuys, in der auch noch mal der Stellenwert der Aussage „Jeder Mensch ein Künstler“ deutlich wird. Da fällt eben auch der Satz, daß zwar jeder Mensch an der „sozialen Plastik Gesellschaft“ als Künstler mitwirken kann, wenn er denn will – er aber deswegen noch lange kein Maler, BIldhauer, Musiker oder Schriftsteller ist.
          Jeder Mensch als Empfänger kulturgebundener Fördergelder, eine armselige Schnapsidee!
          Auch gut die DVD „Zeige deine Wunde“, über gute Buchläden z.B. zu beziehen.

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